Am Samstag, den 18. Januar 2020, fand zwischen 10 und 18 Uhr die zweite Runde des Mitgliederworkshops „LASS UNS ÜBER RASSISMUS REDEN – ODER: WIE GUTE VERBÜNDETENARBEIT GELINGEN KANN“ statt. Der Workshop richtete sich an weiße Menschen, um die eigene Position innerhalb einer rassistischen Gesellschaft zu reflektieren. In einer Gruppe von 12 Teilnehmer_innen entstand unter Ilka Simons Leitung ein Raum, in dem wir uns mit eigenen Privilegien und Rassismen auseinandersetzen und Perspektiven auf Verbündetenarbeit (weiter)entwickeln konnten. In diesem Bericht teile ich ein paar subjektive Eindrücke des Workshoptages. Sie spiegeln diesen sicherlich nicht vollständig und auch nicht linear wider, sollen aber einen kleinen Einblick in meine persönlichen Workshop-Erfahrungen geben.

Inhalte und Erfahrungen – in Ausschnitten

Nach einem ersten Zusammenkommen bei Kaffee, Tee und Obst und einer anschließenden Kennenlern- und Aufwärmrunde , begann der Workshop inhaltlich für mich mit ein paar irritierenden Momenten. Vielen Leser_innen sind vielleicht Landkarten mit verschiedenen Maßstäben ein Begriff, z.B. die Petersprojektion, in der Europas Flächenanteil an der Welt plötzlich verschwindend gering, der afrikanische Kontinent hingegen weitaus größer und zentraler gesehen wird. Auch ich kannte bereits verschiedene Versionen kartographischer Weltordnungen vor dem Workshop. Ich wusste, dass meine Standard-Weltkarte, mit der ich im Schulunterricht gearbeitet hatte und die diverse Zimmerwände ziert, nur eine Perspektive zeigt und dass dies eine eurozentrische Darstellung der Welt ist: Europa groß und zentral – und damit irgendwie besonders wichtig. Und das ist ganz normal – und irgendwie auch richtig. Wie viel sich im Kopf verschiebt, wenn sich die Größenordnungen oder Positionen der Länder auf der Weltkarte verschieben, hatte ich vergessen. Das war eines der unzähligen Male an diesem Tag, an dem ich dachte: Richtig, deswegen ist die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtstrukturen eine niemals endende Reise – weil es immer wieder neu passieren muss, dieses irritiert werden und das sich irritieren lassen, um die Standards, die ich kenne und für „normal“ halte, ständig zu hinterfragen und mich in Bezug zu setzen. Und um immer wieder neu zu begreifen, dass alles, alles auch anders denkbar ist, unterschiedlich erlebt wird und Normalitäten immer mit Macht zu tun haben. Der Workshop hat mir – wie manches Buch es das tut und manches Gespräch –einmal mehr vor Augen geführt, dass es, wenn es um die eigene Weltsicht und die Reflexion meiner Position in der Gesellschaft geht, kein Fertigsein gibt – aus weißer Perspektive ist es bloß leicht, aufzuhören (oder gar nicht anzufangen). Konkret bedeutet das für mich zum Beispiel, Materialien, Medien, Gespräche mit Anderen, etc. kritisch zu hinterfragen und darauf zu überprüfen, wer (über wen) spricht und aus welcher Perspektive und wie das dargestellt wird. Und mir andere Perspektiven dazu zu denken oder zu erfragen.
Der Workshop ging weiter mit einem Input über die Kolonialzeit, deutsche Kolonialisierung und Widerstandsbewegungen von Afrikaner_innen. Besonders hängen geblieben ist mir diese Aufmerksamkeit, die auf Widerstand und Reaktionen der Menschen in den kolonialisierten Gebieten gelegt wurde. Während es sonst oft darum geht, kolonialisierte Völker, Gruppen oder Individuen als Opfer darzustellen oder zumindest keinen konkreten Fokus auf ihre Handlungen, Konzepte und den aktiven Umgang mit der eigenen Situation gelegt wird, bleibt von diesem Workshop eine erweiterte Perspektive – die von handelnden Menschen, mit eigenen Ansichten, eigenem Willen und aktiven Entscheidungen.
Im Anschluss hieran ging es in einem weiteren Input um die Entstehung von und eine Annäherung an Rassismus. Es fällt mir immer wieder schwer zu begreifen, dass so Realität geschaffen wurde – indem Bilder entworfen wurden, die eine Wertigkeit von Menschen enthielten und dass diese Bilder durchgesetzt wurden. Und bis heute starke Wirkung haben – so absurd sie auch klingen.
Es ging an diesem Tag besonders darum Bilder zu reflektieren, die wir in uns selbst finden. Auf einem Spaziergang durch Köln-Mülheim in Zweiergruppen war es beispielsweise eine Aufgabe, eigene Bilder über Menschen zu reflektieren, die nicht der weißen, christlichen Mehrheit angehören. Es hatte eine besondere Kraft, Bilder in mir selbst zu entdecken – egal ob bereits reflektiert oder gerade erst wahrgenommen. Es zeigt dieses Realitätschaffen von Bildern. Bilder haben Macht; Worte, Bezeichnungen, Begriffe – über unsere Sprache und die Bilder, die wir damit kreieren, kreieren wir unsere Realität und gesellschaftliche Normalitäten. Deshalb müssen sie auch immer und immer wieder überprüft werden und deshalb ist sensibles Sprachhandeln keine Frage von politischer Korrektheit, sondern eine Frage der Verantwortung. Auch das hat mir der Workshop einmal mehr vor Augen geführt.
Ich danke (dir), Ilka, für den Raum, der uns zur Verfügung stand. Es war ein Raum, indem Platz war für Austausch und Lernen und Platz auch für Unsicherheiten und Hemmungen, Fragen und für Nicht-Expertin sein. Es war ein sehr sensibles Achtsamsein mit uns Teilnehmer_innen. Wenn zum Beispiel jede Gruppen- oder Zweierarbeit damit eingeführt, dass wir uns Menschen suchen sollen, mit denen wir uns in diesem Moment wohlfühlen über das jeweilige Thema zu sprechen, habe ich mich sehr aufgehoben und ernst genommen gefühlt. Alles durfte sein, alles konnte Raum haben. Danke dafür!

Ich nehme noch mehr mit, als ich hier in Worte fassen kann – der Workshop und das darüber Nachdenken wirken noch nach. Dies hier ist, wie gesagt, nur ein kleiner und sehr subjektiver Eindruck in einen für mich besonderen Workshoptag. Danke.

Text: Laura Burghardt